Edgar Zieser: Heavy metal & Aufruhr



’Heavy metal’, 2023

’Aufruhr’, 2023

Unter Klangwelten verstehe ich die akustische Umgebung des Menschen im Sinne von Klanglandschaften – eher kleinräumig im heimischen Zimmer, geräumiger in z.B. einem Konzertsaal, großräumig als akustische Umgebung des Menschen: Vor der Industrialisierung prägten überwiegend Natur-, Menschen- und atmosphärische Klänge die Umgebung. Zu einem geringen Teil waren mechanische Laute beteiligt. Seit dem 18. Jahrhundert überzogen die Schallwellen der sich industrialisierenden Gesellschaften die Geräuschwelten bis hin zu aktueller Dauerbeschallung und umfassender medialer Verfügbarkeit jeglicher akustischer Erzeugung. Ob real erfahren oder medial vermittelt, das Klangrepertoire von Welt ist im individuellen und kollektiven Gedächtnis gespeichert. Die zweidimensionale bildliche Darstellung von Klanglandschaften funktioniert, da die Betrachtung von Bildern niemals ein eindimensionaler Vorgang sinnlicher Wahrnehmung ist – Wahrnehmung ist immer kontextgebunden und multisensuell: akustische Erfahrungen schwingen in der Wahrnehmung mit, wie auch Vorstellungen von Atmosphären, Temperaturen und Gerüche.

Die Bildserien ’Heavy metal’ und ’Aufruhr’ gründen auf Fotografien, die während einer Reise im Tschad im Februar 2023 aufgenommen wurden. Hauptbesuchsorte der Reise waren die Wüstenlandschaften im nördlichen Tschad und der eher süd-östlich an der Grenze zu Darfur gelegene Zakouma Nationalpark.

Wüste wird gemeiniglich mit Ruhe und Stille assoziiert, allenfalls Winde, Rufe von vereinzelt durchziehenden Nomaden, rare tierische Lautäußerungen oder das seltene Phänomen singender Dünen durchbrechen die akustische Leere. Vergleichbare Ruhe wird der afrikanischen Savannenlandschaft zugeschrieben: Grunzlaute grasender Antilopenherden, Vogelgezwitscher, vielleicht auch mal das Gebrülle eines Löwen oder trompetende Elefanten füllen den zu erwartenden akustischen Horizont.

Beide Bildserien erzählen von Erschütterungen und Irritationen dieser Erwartungen.

’Heavy metal’ widmet sich den Relikten kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen lybischen und tschadischen Streitkräften. Der Krieg wurde 1987 zu Gunsten des Tschad entschieden. Für den Erfolg waren maßgeblich 400 von Frankreich zur Verfügung gestellte hoch mobile Toyota-Hilux Pickups mit auf ihnen montierten Maschinengewehren und panzerbrechenden Waffen verantwortlich (sogenannter Toyota-Krieg). Die Bilder zeigen die Hinterlassenschaften der libyschen Streitkräfte, wie sie als stumme Zeugen den Schlachtenlärm vor über 30 Jahren in einer der menschenleersten Orte der Welt hervorrufen. Die formal strenge Anordnung der Fotografien verweist auf die wieder eingetretene Wüstenstille.

Die Collage ’Aufruhr’ berichtet von einem Geschehen in der idyllischen Savannenlandschaft des Zakouma Nationalparks während einer eher unspektakulär verlaufenden Safaritour. Urplötzlich verwandelte sich die große Gemeinschaft friedlich Nahrung suchender Paviane in ein brodelndes Tohuwabou: Gebrüll, wirbelnde Körper, rasende Leiber, Staubfahnen beherrschten die Szenerie. Aus einer mir nicht erschlossenen Ursache geriet das komplexe Sozialgefüge einer Pavianhorde in Unordnung und musste?/wurde erst nach heftigen Kämpfen und wüstem Geschrei langsam abklingend wieder geregelt.

Die collageartige Anordnung der Bilder versucht dem chaotischen Charakter der Szenen zu entsprechen.