


Bildnerische Darstellung oder was ist noch eine Fotografie?
(Ausstellungsbeschreibung zur Ausstellung 2024 im Rathaus, Marburg)
Wie sie sicherlich beim betrachten meiner Bilder bemerkt haben, versuche ich meine Darstellungen nicht als „Fotografien“ oder „Fotos“ zu bezeichnen. Das hat gute Gründe, denn meine Bilder sind aus Fotografien entstanden – und das ist der Unterschied.
Ich verwende beim Entwickeln meiner Fotografien verschiedenste Techniken um zu dem Bildlook zu gelangen, den ich mir für das Motiv vorgestellt habe. Dabei handelt es sich auch um Entwicklungstechniken, die aus der Zeit der analogen Fotografie stammen und nun in das digitale Zeitalter portiert wurden – „Abwedeln“ und „Nachbelichten“ sind Begriffe, die auch in der heutigen Bildentwicklung noch ihre Daseinsberechtigung haben.
Natürlich entstehen durch die Entwicklung von Fotografien (ich will auch hier den Begriff der „Bildbearbeitung“ bewußt vermeiden) immer wieder Diskussionen, bis zu welchen Zeitpunkt im Prozess der Bildentstehung es sich noch um eine unbearbeitete Fotografie handelt? Dazu ist zu sagen, dass es in der Geschichte der Fotografie noch nie ein unverändertes Foto gegeben hat. In der analogen Zeit erzielte man Bildlooks durch den Einsatz von verschiedensten Filmen, die Kontraste und Farben unterschiedlich darstellten. Auch in der Dunkelkammer konnten durch den Einsatz von Papieren und Belichtungen weitere Veränderungen entstehen.
In der digitalen Fotografie hat das Foto, das man in der Hand hält, nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Bild gemein. Schon im Objektiv finden durch Software die ersten Korrekturen statt. Kommen dann die Bildinformationen im Bildprozessor der Kamera an, werden die Farben gesättigt, die Kanten geschärft und die Vignettierung bestmöglich entfernt. Wird dann das Foto noch gedruckt, liegt es an der Druckmaschine was auf dem Papier von dem „Urfoto“ übrig bleibt. Schließlich will der Spanienurlauber einen blauen Himmel, weiße Strände und ein azurblaues Meer. Den Gipfel erreichte jüngst ein Hersteller von Smartphones, der bei Nachtbildern dem Mond nachträglich eine entsprechende Textur verpasste.
Wo kann also die Grenze gezogen werden? Ganz klar: eine realistische Darstellung der Welt um uns herum bietet unser Auge. Hier ist alles Original und ohne jegliche Bearbeitung.
Oder vielleicht doch nicht? Wieso kann man dann seine eigene Nase nicht sehen, den Finger, der die Nase berührt aber schon?
Peter Beltz, Oktober 2024